Der FCW verteidigte eine Halbzeit lang nur noch sein frühes 1:0 – bis Servettes Ausgleich in der 83. Minute doch noch fiel. Aber der Auswärtspunkt war für die Winterthurer in ihrer zunehmend heiklen Lage ein Erfolg.
Im zweiten Meisterschaftsviertel der Challenge League ist nur der FC Zürich erfolgreicher als Aufsteiger Servette. Also ist ein 1:1 in Genf ein gutes Ergebnis für eine Mannschaft wie diesen FCW, der sich mit nur noch drei Pünktchen aus sieben Spielen – seit dem 3:2 gegen Servette notabene – ziemlich in die Bredouille gespielt hat. Spielerisch wars wieder kein Glanzstück der Winterthurer an diesem kalten Genfer Dezemberabend in einem schwach besetzten Stadion. Aber es gibt Tage im Leben eines Fussballklubs, an denen allein das Resultat zählt. Dann ist am wichtigsten, dass sich seine Mannschaft zu einer kämpferischen Leistung findet – und immerhin das tat der FCW, mehr als zuletzt. Aus der Sicht eines Teams, das sich allmählich als abstiegsbedroht sehen muss, war dieser Auftritt also in Ordnung. Weniger vorteilhaft fiel die Wertung aus, wäre der Massstab, was man sich zu Saisonbeginn vom FCW vorgestellt hatte – und wie er im ersten Meisterschaftsviertel auch zeitweise aufgetreten war.
Christ: «Punkt ist okay»
Also konnte sein Trainer Sven Christ am Ende sagen: «Über 90 Minuten ist dieser Punkt okay. Aus dem Spiel heraus haben wir wenig zugelassen, und wir haben solidarisch gekämpft.» Auch in der zweiten Halbzeit, als der FCW – im Gegensatz zur ersten – offensiv praktisch nicht mehr stattfand, erlaubte er Servette sehr wenig. Und so folgerte Christ: «Es war ein Schritt in die Richtung, in die wir wollen.» Die Richtung kann, von der nicht sehr erfreulichen Aktualität bestimmt, zuerst mal nur diese sein: wieder weg vom Tabellenende. Nach dem überraschenden 2:1 des FC Chiasso im Duell der beiden Tabellenletzten in Schaffhausen sind es nur noch fünf Punkte Distanz.
Die Winterthurer Fussballer liessen zumindest in diesem Spiel erkennen, dass sie begriffen haben, worum es inzwischen geht. In der ersten Halbzeit waren sie gar etwas besser als die Genfer, denn da hatte ihr Spiel durchaus auch offensive Konturen. Defensiv wirkten sie in einem System, das bis zu einer Umstellung auf eine Viererabwehr gegen Schluss wie ein 5-4-1 aussah, gut eingestellt. Beim Führungstor waren sie allerdings vom Glück begünstigt, dass Servettes linker Aussenläufer, der Franzose William Le Pogam, einen Flankenball Michel Avanzinis geradezu «perfekt» ins eigene Tor ablenkte.
In der zweiten Halbzeit war von Winterthurer Spielkultur dann immer weniger zu sehen, dafür häufiger Momente, in denen der Ball einfach ins Aus oder irgendwohin nach vorne geschlagen wurde. Irgendwann leistete sich nun fast jeder einen Ballverlust, der ins Auge hätte gehen können. Am gefährlichsten war dies kurz nach der Pause, als Florian Berisha nach einem Patzer Avanzinis davonzog und schoss; David von Ballmoos konnte diesen Flatterball nur unkontrolliert abwehren; die Kugel flog genau auf den Kopf des weiter gelaufenen Berisha – und von dort an den linken Innenpfosten.
Braizat: «Punkt ist Maximum»
Mit dem Altmeister Alexandre Alphonse nicht mehr als Flügelmann, sondern als zweite zentrale Spitze neben dem französischen Topskorer Jean-Pierre Nsame, dazu mit höher stehenden Aussenläufern griffen die Genfer nun an – nun aggressiver gegen immer tiefer stehende Winterthurer. Aber weitere klare Torchancen hatte Servette kaum, und die Zeit lief für den FCW. Aber in der 83. Minute fiel der Ausgleich dann doch, und es passte zum spielerischen Format des Anlasses, dass auch das ein Eigentor war. Nach einem Flankenball Adler Da Silvas traf Nsame mit dem Kopf die Latte – und von dort landete der Ball via Rücken von Ballmoos’ ins Tor. Dabei blieb es, was auch gerecht war – selbst aus der Sicht des Genfer Trainers Anthony Braizat.
Der kritisierte nämlich seine Mannschaft vor allem wegen deren Leistung in der ersten Halbzeit: «Da haben wir kaum einen Zweikampf gewonnen, wir haben vor allem im mentalen Bereich gesündigt», sagte er. Will heissen: seine Mannschaft sei nicht mit der erforderlichen Entschlossenheit und Laufbereitschaft ins Spiel gegangen. In der zweiten Halbzeit habe sie zwar mehr unternommen und es wäre am Schluss gar noch das 2:1 möglich gewesen. «Aber», fügte Braizat gleich bei: «Heute hätten wir den Sieg nicht verdient, ein Punkt ist das Maximum für so eine Leistung.» Was den Genfer Trainer «vor allem ärgerte: Dass wir heute den 3. Platz nicht erreichten, wo doch Wil in Zürich verlor.»
Während sich Braizat so ausführlich wie korrekt zu einem wenig aufwühlenden 1:1 äusserte, bereiteten sich die Winterthurer auf die lange nächtliche Heimfahrt vor – die sie wenigstens nicht ohne Punkt antreten mussten. Nach einem Spiel, in dem sich keiner mangelnden Kampfgeist vorwerfen lassen muss, aber auch keiner hervorstach. Immerhin, der Tessiner Routinier Daniele Russo war sich im Abwehrzentrum zwischen den beiden Teenagern Julian Roth und Tobias Schättin seiner Verantwortung bewusst. Er ging doch mit anderem Engagement – und entsprechend anderem Erfolg – als eine Woche zuvor gegen den FC Schaffhausen in die Zweikämpfe.
Ein guter Debütant
Gut spielte auch Avanzini, gut war die Präsenz von Kreso Ljubicic, der mit Nicola Sutter die bereits zehnte Kombination einer «Doppelsechs» in dieser Saison bildete. Und von der Offensive blieb am meisten die Arbeit Romain Dessarzins in Erinnerung. Bis er gegen Schluss nachliess, waren von ihm die klarsten Szenen zu sehen, vor allem in der ersten Halbzeit. Aber je näher es zum Tor ging, fehlte es dem FCW auch in jener – seiner besseren – Phase an der erforderlichen Präzision. Seine Stürmer sind im Moment wirklich nicht in Form, nicht Silvio, nicht Manuel Sutter, der sich an diesem Abend aber auch mit Magenproblemen über die Zeit quälte.
Lange in Erinnerung bleiben wird dieses Spiel kaum einem – ausgenommen dem 18-jährigen Julian Roth. Denn er debütierte anstelle des schliesslich auch noch gesundheitlich indisponierten Guillaume Katz mit einer guten, disziplinierten und unaufgeregten Leistung als rechter Innenverteidiger in der Challenge League. «Er hat seinen guten Job gemacht – fehlerlos.» So sah es der Trainer – und das zu Recht. (hjs)
Servette FC – FC Winterthur 1:1 (0:1)
Stade de La Praille – 1716 Fans (davon 40 aus Winterthur)
SR Pache.
Tore: 10. Le Pogam (Eigentor) 0:1. 83. Von Ballmoos (Eigentor) 1:1.
Servette FC: Frick; Cadamuro, Mfuyi, Faug-Porret (54. Hasanovic); Sauthier, Doumbia, Maouche (59. Caslei), Le Pogam; Alphonse (73. Adler Da Silva), Berisha; Nsame.
FC Winterthur: Von Ballmoos; Avanzini, Roth, Russo, Schättin, Radice; Dessarzin (95. Nsiala), Ljubicic, Nicola Sutter, Manuel Sutter (65. Lanza/92. Di Gregorio); Silvio.
Bemerkungen: Servette ohne Miguel Rodrigues, Vitkieviez (verletzt), Delley (krank), Baumann, Libertazzi und Besnard (nicht im Aufgebot); in der 2. Halbzeit mit Alphonse als zweite zentrale Sturmspitze; Hasanovic nach seiner Einwechslung im Mittelfeld, Doumbia in der Abwehr. – FCW ohne Ersatztorhu?ter Minder, Schuler, Mangold, Kamber, Gazzetta, Krasniqi (verletzt) und Sliskovic (krank); Katz gesundheitlich indisponiert auf der Bank; Challenge-League-Debu?t von Julian Roth (18); Lanza angeschlagen wieder ausgewechselt. – 49. Kopfball Berishas an den Pfosten. 83. Kopfball Nsames an die Latte, vom Rücken von Ballmoos’ fliegt der Ball ins Tor.
Verwarnungen: 9. Manuel Sutter (eindeutige Schwalbe). 78. Schättin (Foul). 88. Caslei (Foul). 90. Silvio (Unsportlichkeit).
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