Bericht des Landboten
22.02.2010 00:00:00
Das Spiel aus der Sicht des Landboten
Mit der schwächsten Leistung der Saison brockt sich der FCW im ersten Match der Rückrunde in der Challenge League eine 1:2-Niederlage gegen Servette ein.
Es waren vielleicht 15 Sekunden gespielt, als Stefan Iten, der Innenverteidiger des FCW, als hinterster Mann den Ball verlor und den Genfern eine erste Chance ermöglichte. Noch passierte zwar nichts, aber bezeichnend für den Auftritt Itens und der gesamten Winterthurer Mannschaft sollte diese Szene bleiben. Iten sah danach auch bei beiden Gegentoren von Eudis, in der 5. und 39. Minute, schlecht aus; und der FCW bot über 90 Minuten eine Gesamtleistung, die keinen Punktgewinn rechtfertigte, aber sehr wohl die erste Niederlage gegen die Genfer seit vielen Jahren.
Stefan Iten und Eudis
Beim 1:0 liess sich Iten von Eudis, dem Brasilianer mit Super-League-Vergangenheit beim FCZ und den Young Boys, innerhalb des Strafraums einfach ausdribbeln. Beim 2:0 reagierte der Winterthurer auf einen weiten Ball Geoffrey Tréands schlechter als Eudis, und von dessen Kopf flog die Kugel über den schlecht platzierten Vaso Vasic hinweg unter die Latte. Das Tor des FCW, ein Abstauber Rainer Bielis nach einer weiten Linksflanke und einem Lattenschuss Goran Antics aus drei Metern, fiel erst in der 88. Minute. Das war viel zu spät und liess keinen Raum mehr für die Hoffnung auf einen Punktgewinn, obwohl die Genfer ihre Offensivbemühungen längst eingestellt hatten und nur noch darauf aus waren, ihren Vorsprung und damit drei wichtige Punkte im Abstiegskampf über die Zeit zu bringen.
Dass ihnen dies glückte, war zwar nicht Ergebnis einer wirklich guten Leistung, vom Duo Eudis/Julian Esteban abgesehen. Aber es war verdient. Denn zu enttäuschend war, was der FCW bot, was auch nicht annähernd den Vorstellungen entsprach, die sein Trainer Boro Kuzmanovic von diesem Spiel gehabt hatte, dem ersten einer Rückrunde, in welcher er sich mit seinem Team Platz 2 zum Ziel gesetzt hat - oder zumindest das entschlossene Eingreifen in diese Ausmarchung.
Kuzmanovic war denn auch, wie er sich wahlweise ausdrückte, «irritiert» oder «ernüchtert» von diesen 90 Minuten. Die hatte so unübliche wie zahlreiche individuelle Schwächen in der Tagesform gezeigt, aber auch strukturelle Probleme, die dem Trainer nun Denksportaufgaben stellen. Der Gesamteindruck jedenfalls war dieser: So schlecht hat der FCW noch in keinem Pflichtmatch unter Kuzmanovic gespielt.
Individuelle Schwächen...
Die individuellen Schwächen begannen nach 15 Sekunden bei Iten, dem eine Vorrunde lang so soliden Innenverteidiger, der einen miserablen Tag einzog. Aber dass der FCW das Spiel nie wunschgemäss entwickeln konnte und den Halbzeitrückstand logisch werden liess, lag daran, dass ihm im Spielaufbau eine Unzahl von Fehlpässen oder anderweitigen Ballverlusten unterliefen. Allein deshalb war das Offensivspiel, das sich der Trainer vorgestellt hatte, gar nicht möglich.
So geriet Amir Abrashi völlig von der Rolle, nachdem er nach einem groben Foul in der 21. Minute verwarnt worden war. Er stand später kurz vor dem Platzverweis, weshalb ihn Kuzmanovic zur Pause ersetzte. Aber auch Goran Antic, der «Zehner», verlor sehr viele Bälle. Sven Lüscher und Rainer Bieli, die beiden erfahrenen Offensivkräfte, waren wenig im Spiel; und gab es mal die Gelegenheit, unterliefen auch ihnen zu viele Fehler.
Luca Zuffi war bei seinem Comeback, das gleichzeitig das Debüt als Captain war, vor der Halbzeit fast der einzige, dem klare Pässe gelangen; aber er ging in der zweiten Halbzeit beinahe unter. Und Sohn Kris, den Kuzmanovic schliesslich doch Michel Sprunger vorgezogen hatte, brachte auch zu wenig von jener Torgefahr, die man sich von ihm von der linken Flanke erhofft hatte.
Nach der Pause reagierte Kuzmanovic, der Trainer, mit Umstellungen, die auch das System betrafen. Zuerst erschien Innocent Emeghara für Abrashi, ging Lüscher ins zentrale Mittelfeld. Nach 65 Minuten - und mit der Einwechslung Sprungers - wurde aufs Spiel mit nur noch drei Verteidigern umgestellt. Was immerhin zu erkennen war: Die Mannschaft bemühte sich zwar, sie gab nicht auf, so gesehen stimmte die Einstellung. Aber das Ganze war nun zu wirr. Es führte zwar zu einer klaren Feldüberlegenheit gegen einen Gegner, der nur noch verteidigte und schliesslich auch noch seinen Torschützen durch einen Abwehrspieler ersetzte. Aber klarlinige Aktionen waren nicht zu sehen. Vor dem 1:2 gab es vielleicht zwei Szenen Lüschers, die als nennenswert zu bezeichnen waren: Mitte erster Halbzeif flog sein Freistossball, der von allen Kandidaten für eine Abnahme verpasst wurde, um Haaresbreite am Tor vorbei; in der 56. Minute lief Lüscher aussichtsreich in den Strafraum, konnte aber gerade noch rechtzeitig gestoppt werden.
Die Bilanz der Einzelkritik war also ernüchternd: Es mag gewisse Leistungsdifferenzen gegeben haben, aber über 90 Minuten gut war keiner, auch die «Joker» Emeghara und Sprunger brachten auf Dauer keine Impulse über die Flanken, wo sie auftraten. Es muss sich also jeder steigern; eine andere Konsequenz der individuellen Leistungen gibt es nicht.
...und Denksportaufgabe
Das ist denn auch nicht die Denksportaufgabe für Kuzmanovic in den nächsten Tagen. Die betrifft die Rolle Antics als offensiver Mittelfeldmann vor zwei Sechsern. Antic brachte es nämlich nie fertig, Strukturen ins Angriffsspiel zu bringen, irgendwann einmal die richtige Option zu finden, um für sich selber oder einen Kollegen Torgefahr zu erzeugen. Er fand seine Position nie wirklich, verzögerte das Spiel zu oft. Ein Match kann nicht das definitive Urteil sein über diese personelle Massnahme des Trainers. Aber natürlich stellt sich nach diesem in der Tat irritierenden Auftritt die Frage, wie Abhilfe zu schaffen ist.
Fakt ist, dass der FCW nicht lange Zeit hat, sich individuell zu steigern, kollektive Lösungen zu finden. Denn schon am kommenden Sonntag auf der Schützenwiese gegen den FC Vaduz, den neuen Zweiten, und eine Woche später in Thun, beim Dritten, der Zweiter nach Minuspunkten ist, muss der FCW ein ganz anderes Gesicht zeigen, will er sein Ziel, zumindest zu den Kandidaten für die Barrage zu gehören, nicht schon sehr schnell aus den Augen verlieren. Dass der FC Thun und Lausanne-Sport gar zu Hause verloren, war am Tag nach seinem Fehlstart die einzige gute Kunde für den FCW an diesem Wochenende.
«Kleiner» Klub
Der Servette FC mag noch immer einen grossen Namen haben, aber er ist zurzeit ein kleiner Klub. Sonst hätte er es nicht nötig, die Zuschauerzahl aufzumotzen, von vielleicht 800, die im Stade de Genève waren, auf 2'252 (man beachte die 2 am Schluss). Darin sind wohl alle Saisonkarteninhaber der vergangenen drei Jahre inbegriffen! Es war ihm aber auch nicht zu billig, die Ballbuben zu Hilfe zu nehmen. Die traten nach dem 2:0 als Spielverzögerer auf. Das war stillos, ganz sicher für einen Verein mit «grossem» Namen. / http://www.landbote.ch