Im Wallis werden Match-Besucher härter angefasst – Fachleute fürchten Gewalt im Eingangsbereich. Vor dem Spiel zwischen Sion und dem FCZ greifen die neuen Massnahmen erstmals.
Das Wallis prescht im Umgang mit Fans vor – und sorgt für Aufregung im Rest der Fussball-Schweiz. Über den Winter hat der Kanton entschieden, die Kontrollen beim Stadioneintritt in Heim- und Gästesektor massiv zu verschärfen.
«Durch verstärkte Sicherheitsmassnahmen soll ein schwerer Zwischenfall durch den Einsatz illegaler pyrotechnischer Geräte verhindert werden», bestätigt das Departement für Sicherheit, Institutionen und Sport Recherchen dieser Zeitung. Und der Kanton möchte künftig sogar noch weiter gehen: «Die Einführung von registrierten Eintrittskarten ist vorgesehen.» Das würde bedeuten: ID-Kontrollen am Stadion.
Die Walliser wagen damit einen Alleingang. Und beunruhigen so die anderen Schweizer Clubs und die Liga. Viele Fachleute befürchten hinter vorgehaltener Hand, dass die verstärkten Eintrittskontrollen zu mehr Gewalt bei den Eingängen führen könnte. Gemäss mehreren Quellen haben sich Vertreter von Grossclubs wie dem FC Basel oder den Young Boys aus diesem Grund bereits gegen die Verschärfung ausgesprochen. Die Eingangsbereiche der Stadien der Super League waren jahrelang Problemzonen.
Unverständnis bei der Liga
Immer wieder kam es bei der Suche nach pyrotechnischem Material zu gewaltsamen Auseinandersetzungen zwischen Sicherheitspersonal und Fans. Um Spannungen abzubauen, kommt darum seit fünf Jahren schweizweit das Konzept Good Hosting zum Einsatz. Ziel ist ein fliessender Eintritt der Fans, um Stresssituationen zu verhindern. Unter anderem werden deswegen nicht mehr alle Fans abgetastet und nicht mehr alle Effekten durchsucht. Stattdessen finden Stichproben statt.
Dass das Wallis nun von diesem Konzept abrückt und stattdessen wieder alle Besucher von Heim- und Gästesektor untersuchen will, sorgt bei der Swiss Football League (SFL) für Unverständnis. Die Liga meldet: «Die SFL kann die Gründe, vom bewährten Konzept abzuweichen, nicht nachvollziehen und befürchtet, dass mit diesem Vorgehen die positive Entwicklung der letzten Jahre gefährdet wird.»
Auch der FC Zürich, der am Sonntag als erster Gastclub das neue Sittener Regime erleben wird, zeigt sich offen irritiert: «Wir bedauern diesen Entscheid, sind wir doch von der Good-Hosting-Strategie überzeugt. Diese hat in den vergangenen Jahren zur deutlichen Verbesserung und Beruhigung der Situation an den Eingängen in sämtlichen Stadien geführt, gerade auch in Sion.»
«Gegenwärtig ausser Kontrolle»
Die Universität Bern hat 2019 das Konzept Good Hostig evaluiert. Dabei wurde für den untersuchten Zeitraum nachgewiesen, dass bei Spielen mit stichprobenartigen Kontrollen weniger pyrotechnisches Material abgebrannt wurde als bei Partien, vor denen alle Fans durchsucht wurden. Dies könnte unter anderem darauf zurück zu führen sein, dass Fankurven nach scharfen Kontrollen besonders gerne «zünden», um die Durchsuchungen ad absurdum zu führen.
Der Walliser Staatsrat Frédéric Favre (FDP) steht unter einem anderen Eindruck. Er ist Initiant des neuen Walliser Weges und hat den Spielabbruch im Tourbillon vom letzten März vor Augen. Damals warfen Anhänger der Grasshoppers so lange Leuchtfackeln aufs Feld, bis die Partie beendet wurde. Entsprechend schreibt Favres Departement als Begründung für die schärfere Gangart: «Gegenwärtig ist die Situation völlig ausser Kontrolle.»
Auch die anderen Polizei-Korps sind kritisch
Nicht nur die Liga und die anderen Clubs blicken gespannt darauf, wie sich die neuen Kontrollen am Sonntag beim Spiel Sion gegen den FCZ auswirken. Auch die anderen kantonalen Polizeikorps beobachten die Walliser Kollegen genau.
Dabei wird der Sittener Versuch durchaus auch kritisch gesehen, wie mehrere Quellen berichten. Die Befürchtung der anderen Korps: Sollte sich die härtere Gangart schweizweit durchsetzen, könnten die Einsatzstunden der Polizei markant ansteigen.
Derzeit macht eine Rechnung bei Liga und Polizei die Runde. Laut ihr müsste ein grösseres Schweizer Stadion vier Stunden vor Spielbeginn geöffnet werden, damit trotz ID-Kontrollen alle Zuschauer rechtzeitig zum Anpfiff auf ihrem Platz wären. Vor diesem Mehraufwand fürchten sich gemäss Informationen dieser Zeitung nicht nur die Clubs. Sondern auch mehrere Polizeikorps.
Quelle: (tagesanzeiger.ch / 02.02.2020 08:45 Uhr / Florian Raz)
Die Sicherheitsbehörden des Kantons Wallis haben entschieden, dass in Sion das «Good Hosting»-Konzept der Swiss Football League ab sofort nicht mehr angewendet wird.
Das «Good Hosting»-Konzept sieht vor, dass Fans primär als Gäste und nicht als Sicherheitsrisiken begrüsst werden. Als ein zentrales Element dieser Strategie gilt die Abkehr von der flächendeckenden Personenkontrolle ohne Verdachtsmomente, hin zu gezielten Stichprobenkontrollen und konsequenter Einzeltäterverfolgung.
Fanarbeit Schweiz macht seit Jahren auf die Situationen in den Eingangsbereichen aufmerksam und unterstützt die nationale Anwendung des «Good Hosting»-Konzepts. Primäres Ziel muss sein, die Faktoren für die Entstehung von Gewalt zu minimieren. Diese Strategie wurde seit 2015 in allen Super League- und Challenge League-Stadien der Schweiz verfolgt und trug massgeblich zur Deeskalation bei. Gewalttätige Ereignisse vor den Stadioneingängen konnten nachweislich markant gesenkt werden.
Mit der Abschaffung des «Good Hosting»-Konzepts, geht man in Sion nun leider einen anderen Weg. Eine Rückkehr zu flächendeckenden Eingangskontrollen suggeriert eine Steigerung der Sicherheit. Wissenschaftliche Untersuchungen belegen eine nachhaltige Beruhigung der Eingangssituationen aufgrund der Anwendung des «Good Hosting»-Konzepts.
Fanarbeit Schweiz appelliert an die zuständigen Behörden und Vereine, dass die Deeskalation der Eingangsbereiche weiterhin das oberste Ziel in dieser Thematik bleibt.
Quelle: (fanarbeit.ch / 03.02.2020 / Christian Wandeler)
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