Saisonvorschau aus Vaduzer Sicht und Bericht der NZZ
Vaduz gilt als erster Herausforderer
Die Schwergewichte Sion und Luzern sind letzte Saison in die Super League aufgestiegen und haben in der Challenge League für neue Favoriten Platz gemacht. Absteiger Neuchâtel Xamax und der FC Vaduz sind die aussichtsreichsten Aufstiegskandidaten.
In Neuenburg gibt es nach der verlorenen Barrage gegen den FC Sion nur ein Ziel: den sofortigen Wiederaufstieg. Der Schock nach dem ersten Abstieg der Vereinsgeschichte sass tief. Aber dank dem finanziellen Support von Präsident Sylvio Bernasconi und Einnahmen aus dem Verkauf von Logenplätzen im neuen, ab Frühling zur Verfügung stehenden Stadion soll die Saison in der Challenge League spätestens im kommenden Sommer nur noch eine Erinnerung sein. Das Budget ist mit rund 6 Millionen Euro gegenüber dem Vorjahr gleich geblieben und für die Verhältnisse der Zweiten Liga geradezu astronomisch.
Castella am Ruder
Einiges geändert hat sich im Umfeld von Neuchâtel Xamax. Gérard Castella löste Miroslav Blazevic als Coach ab und organisierte den Trainerstab neu. Auch das Spielerkader hat einige Mutationen erfahren. Zwölf mehrheitlich ausländische Spieler haben den Klub verlassen. Zu den Neuzugängen gehören bewährte Kräfte wie Morena Merenda, Goalie Claudio Gentille oder die Verteidiger Christophe Jacquet und Alexandre Quennoz. «In der letzten Saison hat Xamax zu viele Gegentreffer erhalten. Für eine erfolgreiche Meisterschaft brauchen wir eine stabile Defensive», erläutert Castella. «Wir sind die Mannschaft, die es zu schlagen gilt. Wir müssen uns auf regelrechte Cupfights gefasst machen.»
Servette bescheiden
Neben Xamax spielen sechs weitere Westschweizer Vereine in der Challenge League. Deren Leistungsniveau ist allerdings schwierig zu beurteilen. Der zweite Absteiger Yverdon hatte viele Abgänge zu verzeichen. Von der letztjährigen Mannschaft stehen nur noch acht Spieler im Kader. Lausanne-Sport hat mit den Rücktritten von Stéphane Chapuisat, der mit 16 Toren letzte Saison treffsicherster Angreifer der Waadtländer war, und Patrick Isabella viel seiner offensiven Schlagkraft verloren.
Beim Aufsteiger Servette gibt man sich bescheiden. «Wir müssen uns zunächst an den neuen Spielrhythmus gewöhnen und uns dann so schnell wie möglich den Klassenerhalt sichern», sagt Trainer Jean- Michel Aeby. Der 17-fache Meister stützt sich auf eine Mannschaft, die ähnliches Überraschungspotenzial hat wie letzte Saison Lausanne. Mit Oscar Londono, Eddy Barea und Aleksandar Bratic sollen drei Routiniers das junge Team führen. Grosser Hoffungsträger ist der erst 19-jährige Stürmer Julian Esteban. Er ist bei Servette der einzige Vollprofi. Eineinhalb Jahre nach dem Zwangsabstieg streben die Grenats den Erfolg nicht mehr unter allen Umständen an. «Wir arbeiten mit den Mitteln, die uns zur Verfügung stehen. Priorität hat die Ausbildung junger Spieler aus der Region», erklärt Vizepräsident Sébastien Fournier das neue Credo des Genfer Stadtklubs.
Herausforderer aus dem Osten
Der FC Vaduz scheint am besten gerüstet, die Westschweizer Hegemonie zu brechen. Die Liechtensteiner scheiterten zweimal in der Auf-/Abstiegsbarrage, blicken aber auf eine verunglückte letzte Saison zurück. Maurizio Jacobacci, der zuletzt in Baden und Wil erfolgreich arbeitete, übernahm den Trainerposten von Mats Gren. Mit Werner Gerber wurde der ehemalige Thuner Transferchef als neuer Sportdirektor engagiert. Dieser hatte bereits zum Amtsantritt einige Arbeit. 15 Abgänge musste der Berner Oberländer kompensieren. Zwei Jahre gibt sich Vaduz Zeit, um in die Super League aufzusteigen. «Wir bauen gezielt eine Mannschaft auf. Ich hoffe, sie kann von Beginn weg ganz oben mitspielen», so Jacobacci. Mit dem 4:0 in der UEFA-Cup-Qualifikation beim ungarischen Meisterschafts-Zweiten Ujpest Budapest hat das Team aus Liechtenstein bereits einen Vorgeschmack auf seine Stärke geboten. Das Sturmduo mit dem Italo-Argentinier Juan Manuel Sara und dem Senegalesen Omar Pape Fayé schoss in Ungarn alle Tore.
Tessiner Hoffnungen
Von den vier Tessiner Vereinen haben Chiasso, Bellinzona und Lugano die Ambition, im vorderen Tabellendrittel mitzuspielen. Lugano verpflichtete mit Kamel Boughanem einen ausgewiesenen Goalgetter, der in den letzten beiden Saisons für La Chaux-de-Fonds 32 Treffer erzielte. Bei Chiasso sitzt der Star auf der Trainerbank. Der ehemalige Serie-A-Spieler Attilio Lombardo wurde vom Partnerklub Sampdoria Genua ins Tessin versetzt.
Deutschschweizer Mitläufer
Von den Deutschschweizer Vereinen sind keine grossen Sprünge zu erwarten. Concordia Basel hat sich zwar als Fernziel den Aufstieg in die Super League gesetzt, doch in dieser Saison hat der Aufbau der Mannschaft Priorität. «Wir wollen die einzelnen Spieler weiterbringen», sagt Murat Yakin vor seinem Debüt als Coach. Seine neue Aufgabe macht ihm keine Angst: «Ich habe schon als Spieler wie ein Trainer gedacht.» Druck von Seiten der ambitionierten Führung um Präsident Stephan Glaser erfährt der 50-fache Internationale, der mit Walter Grüter das Trainerduo bildet, vorläufig keinen. Auf eine Vorgabe wie letztes Jahr, als ein Rang unter den besten fünf angepeilt wurde, verzichtete der Klub. http://www.vaterland.li/index.cfm
19 Abgänge
Innert Jahresfrist haben 19 Akteure Vaduz verlassen. Ob die schmerzlichsten Abgänge von Marius Zarn (Aarau), Martin Stocklasa (Dynamo Dresden), Marco Perez (?) und Martin Telser (Balzers) kompensiert worden sind, werden die Spiele zeigen. Unter den Abgängern befinden sich einige Akteure aus der Region, weshalb die Bindung zum Publikum in Nöte gerät. «Die guten Resultate sind das eine. Wichtig wird sein, dass die Mannschaft Herzblut zeigt. Das hat sie in der Zwischenzeit bereits bewiesen», nennt Jacobacci einen Faktor, der den FC Vaduz in der Beliebtheitsskala wieder nach oben bringen soll. Keines der sechs Testspiele gegen Austria Lustenau (2:0), Zürich (2:2), St. Gallen (2:2), Schaffhausen (2:0), Altach (3:1) und Pfullendorf (0:0) ging verloren.
Der FC Vaduz besiegte im UEFA Cup Ujpest mit 4:0 Toren. Die Torschützen waren Faye (13.), Sara (31.), Faye (62.) und Sara (94.). Das Rückspiel in Vaduz findet am 27. Juli 2006 um 19:30 Uhr statt.
Start zur Challenge League
Die Romandie am stärksten vertreten
Wenn an Medienorientierungen der Swiss Football League (SFL) das Thema der zweithöchsten Klasse aufs Tapet kommt, ist stets so etwas wie Ratlosigkeit der Verbandsvertreter zu spüren. Ob Nationalliga B oder Challenge League, wie der Unterbau der Elite-Liga heute heisst - viel Staat war und ist mit ihr nicht zu machen. Was die Vertreter dieser Klasse auch immer unternehmen: Es ist zu viel zum Sterben, aber zu wenig zum Leben. SFL-Präsident Peter Stadelmann sagte einmal: «Den Vorsitzenden dieser Vereine gilt meine grösste Bewunderung.»
Am Freitag startet die Challenge League mit den Partien Bellinzona - Chiasso sowie YF Juventus - Lausanne-Sport in die Saison 2006/07. Neu dabei sind die Aufsteiger Servette FC, Delsberg sowie Yverdon und Xamax (beide Absteiger). In dieser Region sind zudem Lausanne-Sport, La Chaux-de-Fonds sowie Baulmes beheimatet, eine Konstellation, die den Klubs dank den zahlreichen «Derbys» höhere Einnahmen sowie geringere Reisekosten beschert (4 Spiele im Tessin, via Gotthard sind das über 3'400 km!! siehe http://www.grenats.ch/servette/index.php?idContenu=dActualite&idArticle=4020&lang=DE) . Die Frage, ob sich aufgrund dieser Situation gar eine Zweiteilung der 18 Klubs umfassenden Liga aufgedrängt hätte, wurde erstaunlicherweise nie gestellt.
Die Klubs aus der Romandie sowie dem Kanton Tessin sind insofern etwas bevorzugt, als hier die TV-Stationen TSR 2 sowie TSI 2 die eine oder andere Partie live übertragen und auf diese Weise etwas Geld in die leeren Klubkassen fliesst. Stadelmann hat versprochen, dass auch die Vereine aus der Deutschschweiz mit einem Zustupf rechnen können. Darüber hinaus bleibt es eines seiner wichtigsten Anliegen, die zweithöchste Klasse besser zu vermarkten. Doch dies ist ein altes Postulat, und griffige Lösungen zu finden, hat etwas mit der Quadratur des Kreises zu tun. Nur regelmässige TV-Ausstrahlungen könnten zu einem Fortschritt führen, der den Klubs eine nachhaltige finanzielle Erleichterung bringt.
Wenn es nach dem Willen der Verbandsoberen geht, sollte die Challenge League eine Ausbildungs-Liga sein. Ob dies auch tatsächlich der Fall ist, darüber gehen die Meinungen weit auseinander. Grundsätzlich ist die Entwicklung von Talenten jedoch die einzige Chance, in dieser Klasse (finanziell) zu überleben. Dass sich etwas bewegt, geht aus der Rotation der treffsichersten Torschützen hervor. Von den besten zehn Skorern haben nun deren sieben in eine höhere Liga gewechselt, und der 37-jährige Chapuisat hat die Schuhe an den berühmten Nagel gehängt. Durchaus denkbar, dass die neue Saison wieder neue Talente hervor bringt.
Der frühere U-21-Internationale Thierno Bah spielt die nächsten zwei Jahre für den Super-League-Absteiger Xamax. Der von Servette ausgebildete 23-jährige Mittelfeldspieler stieg in der letzten Saison mit Meyrin in die 1. Liga ab. /Neue Zürcher Zeitung