Das Servette bekanntlich nicht auf Rosen gebettet ist wenn es um das Thema Geld geht, ist wahrlich keine Neuigkeit. Nach dem Konkurs im Jahr 2005 und dem Beinahe-Kollaps 2015 welcher ebenfalls mit einem Zwangsabstieg besiegelt wurde, hat sich das Bild in Genf stark verändert.
Die Finanzzahlen 2022 welche auf der Seite der Swiss Football League aufgeschaltet (zur Publikation) wurden und für die UEFA als Indikator für eine Teilnahme am internationalen Wettbewerb dienen zeichnen kein gutes Bild der Servettiens. Aber beginnen wir ganz vorne.
Ab der Saison 2025/26 wird die UEFA die vielbemängelte "Financial Fairplay" durch die Kaderkostenquote ersetzen. Bedeutet, dass die Kaderkosten sprich die Löhne maximal 70% der Erträge des Vereins (z.B. Fernsehgelder, Sponsoring, Tickets etc.) ausmachen dürfen. Kleinere Vereine mit Kaderkosten unter 30 Mio. sind davon zwar ausgeschlossen, doch es zeichnet sich nicht nur bei Servette ein düsteres Bild was dies anbelangt.
Bei Servette liegt die Quote aktuell bei 80%. Würde die Regelung auch für kleinere Klubs zählen, würden nicht einmal diese eine Berechtigung für eine Teilnahme erhalten. Natürlich kann man jetzt sagen, die letzte Saison haben wir auch nicht international gespielt und deswegen tiefere Erträge gehabt, aber eine Startplatzgarantie für den internationalen Wettbewerb gibt es in der Schweiz ja bekanntlich nicht. Dies hat man dieses Jahr beim FC Basel gesehen, der zwar bis in den Halbfinal der Conference League vorstossen konnte, sich aber erst im allerletzten Moment in der Liga für einen internationalen Startplatz qualifizieren konnte.
Der zweite Punkt sind die "sonstigen betrieblichen Erträge". Ein nicht sehr aussagekräftiger Punkt. Aber grundsätzlich sind dies hauptsächlich Gelder die von der Eigentümerschaft in den Verein fliessen um Löcher zu stopfen. Bei Servette ist dies bekanntlich die Hans Wilsdorf Stiftung. Diese Zustüpfe machen bei Servette 60% aller Erträge aus. Also mehr als Ticketverkäufe, Sponsoring und Übertragungsrechte zusammen! Ein alarmierendes Signal. Denn mit der Aufstockung der Liga auf 12 Teams, werden die Übertragungsrechte in der Liga nicht grösser. Eine höhere Quote bei fremden Geldern weist nur noch das von Chinesen geführte GC Zürich auf mit 74%.
Dies schlägt sich natürlich auch auf das Vermögen des Vereins aus. Denn wer einen Grossteil seines Geldes von seinem Geldgeber holen muss, kann ja selbst nicht viel Geld haben. Und so ist es auch bei Servette. Die Aktiven also die Vermögen des Vereins belaufen sich auf nur 7 Millionen, was dem Tiefstwert der gesamten Liga entspricht. Immerhin sind auch wenige Schulden vorhanden mit rund 6.5 Millionen. Aber dies ergibt ein Eigenkapital von gerade einmal CHF 497'000. Noch schlechter sind nur drei Vereine, der FC Zürich mit gerade mal CHF 48'000 und die beiden überschuldeten Vereine GC Zürich (10 Mio Schulden) und der FC Sion (22.4 Mio Schulden).
Für Servette kommt indes die europäische Kampagne wie gerufen. Denn mit einem Verlust von 3.4 Millionen im letzten Geschäftsjahr würde man ansonsten mit einem ähnlichen Geschäftsjahr das dritte Team sein welches in die Schulden abrutschen würde. Servette ist also weiterhin nicht gerade in einer komfortablen Lage darf sich aber auf die Unterstützung der Hans Wilsdorf Stiftung verlassen und sollte gerade in Saisons wie die Nächste probieren den Verein gesünder zu machen und die Einnahmen auch mal auf die Seite legen für Zeiten in denen Servette sich vielleicht nicht für eine internationale Kampagne qualifizieren kann.
Auf sport.ch wurde zu diesem Thema ebenfalls noch ein spannender Artikel publiziert, welcher den Fokus mehr auf die gesamte Liga setzt.
"Die Finanzexperten schlagen Alarm und ausgerechnet jetzt kommt die Ligareform" / sport.ch / Raphael Dort / 28.06.2023
Es ist wieder Transfersommer und es wird wieder wild spekuliert, welche Spieler die nächsten grossen Exporte der Super League sein könnten. Lockende finanzielle Einkünfte durch Spielerverkäufe sind für Clubs enorm wichtig. Vielmehr noch, wenn man die aktuell vorliegenden Finanzzahlen etwas genauer unter die Lupe nimmt.
Experte der Uni St.Gallen widmet sich der Super League
Im April hat die Swiss Football League die Bilanzen von neun Clubs zum Geschäftsjahr 2022 veröffentlicht. Während die einen per Saisonende, sprich dem 30. Juni abrechnen, führen andere Vereine im Kalenderjahr Buch. Unter dem Strich spielt das keine Rolle, die Zahlen müssen von der UEFA abgesegnet werden, um die nötige Lizenz für Europacupspiele zu erhalten. Aus genau diesem Grund hat die SFL auch nur die Bilanzen von neun Clubs veröffentlicht. Der FC Winterthur hatte auf eine solche UEFA-Lizenz verzichtet und war daher nicht zu dieser Transparenz gegenüber der Öffentlichkeit verpflichtet.
Die Offenlegung dieser Zahlen bietet nun natürlich auch die Möglichkeit für Analysen. Genau dieser hat sich Finanzexperte Florian Hohmann von der Universität St.Gallen verschrieben. Hohmann arbeitet am Institut für Accounting, Controlling und Auditing an der HSG und hat für das St.Galler Tagblatt einen Blick in die Bilanzen der Clubs geworfen. Schon im Februar konnte man in der NZZ einem Artikel zu ähnlichem Thema lesen, damals stützte sich Hohmann noch auf die Zahlen aus dem Jahr 2021. Verfasst hat er den NZZ-Text zusammen mit Daniel Tinner und Christoph Hammer, letzterer ist als Teil des Verwaltungsrats für die Finanzen beim FC St.Gallen zuständig.
Der neuste Tagblatt-Artikel lässt schon beim Titel nicht viel Gutes erwarten. "Sonst explodiert das Ganze irgendwann", wird der Experte in der Überschrift zitiert. Die Einschätzung des Finanzexperten ermöglicht insofern eine neue Sichtweise, da in der sonstigen medialen Berichterstattung die Blickwinkel etwas anders sind. Hierzulande ist viel von Transfererlösen, Preisgeld durch die Europacup-Kampagnen und TV-Gelder zu lesen. Bezüglich Personalkosten geben sich die Teams zurückhaltend. Es fällt jedoch schon einem Laien auf, dass im letzten Geschäftsjahr nur drei Clubs einen Gewinn ausweisen konnten: Der FC Lugano, der FC St.Gallen und der BSC Young Boys. Doch es ist nicht einmal dieses Verhältnis von schwarzen zu roten Zahlen, die den Finanzexperten beunruhigen.
Nur zwei "gesunde" Vereine
Mit der Nachhaltigkeit im Hinterkopf interessiert sich Hohmann vor allem für die Eigenkapitalquote. Für Fussballclubs gilt die Marke von 20 Prozent als mindestens erstrebenswerten Wert, um auf beispielsweise einen sportlichbedingte Rückgang der Einnahmen vorbereitet zu sein. Diese Marke erreichen 2022 nur der FC St.Gallen (53%) und der BSC Young Boys (45%). Im Rahmen seiner Analyse fürs Tagblatt verteilt der Finanzexperte nur an diese beiden Clubs der insgesamt neun Mannschaften die Bezeichnung "gesund". Gar ein negatives Eigenkapital lässt sich in der oberen Übersicht bei Luzern, Lugano und Sion ablesen. Negatives Eigenkapital bedeutet, dass der Verein überschuldet ist und auf Rangrücktritte ihrer Besitzer angewiesen sind. Während die negative Summe in Luzern vergleichsweise klein ist, weist Lugano ein Minus von über zehn Millionen Franken auf, Sion gar von über 22 Millionen Franken.
Es sind Löcher, welche Investoren und Besitzer zu stopfen wissen. Dass die Eigenkapitalquote in der Schweiz relativ tief liegt, hängt wohl auch mit dem grossen Konkurrenzkampf in der Liga zusammen. Die Europacup-Plätze und die damit verbundenen internationalen Prämien sind für die Clubs von unschätzbarem Wert. Für den sportlichen Erfolg gehen die Clubs finanziell an ihre Grenzen, da bleibt gleichzeitig kaum Zeit für Gedanken an die Nachhaltigkeit. Es ist ein Leben im Hier und Jetzt, verstärkt wird diese Entwicklung wohl noch durch das zuletzt unglaublich nahe beisammen klassierte Feld der Super League. Wenn nur wenige Punkte über Europacup oder Abstieg entscheiden, versucht man hinter den Kulissen wohl noch mehr auszureizen, als eigentlich empfehlenswert ist.
Zurück zu Florian Hohmanns Analyse im St.Galler Tagblatt, denn der Finanzexperte rückt noch einen andere Kennzahl in den Fokus. Die Kaderkostenquote legt fest, wie viel Prozent der Einnahmen in den Kader der ersten Mannschaft fliessen. Dieser Wert wird künftig international relevant, denn er löst im Raum der UEFA ab 2025/26 das leicht zu umgehende Financial Fairplay ab. Nicht mehr als 70 Prozent der Einnahmen durch Ticketverkäufe, Fernsehgelder, Sponsoring und Transfers dürfen für den Kader der ersten Mannschaft ausgegeben werden. Diese Kontrollfunktion greift schon bald bei Teams, die international auftreten, allerdings nur bei Vereinen, die mindestens 30 Millionen Euro für ihr Profiteam ausgeben. In der Schweiz beträffe das gemäss den Finanzzahlen 2022 höchstens den BSC Young Boys und den FC Basel. Alle weiteren Teams fliegen sicherlich unter dem Kontrollradar der UEFA.
Was der UEFA entgehen wird, spricht Hohmann allerdings direkt an. Gewisse Teams leisten sich einen zu teuren Kader. Konkret sind dies der FC Sion und der Grasshopper Club Zürich. Allerdings sind anderenorts die Geldgeber gefragt, mit Einschüssen diese Quote gemäss dieser Finanzübersicht zu drücken. Beispielsweise sind bei Lugano, Servette und Zürich die "sonstigen betrieblichen Erträge" deutlich höher als bei der Konkurrenz. Auch das St.Galler Tagblatt weist darauf hin. Es sind wohl Zuwendungen von den finanzstarken Clubführungen. In Lugano hat US-Investor Joe Mansueto erst im Mai wieder eine zweistellige Millionensumme eingeschossen, um neben dem regulären Betrieb Aufrüstungen am Stadionprojekt und bezüglich der Digitalisierung vorzunehmen.
Modusreform dürfte die Situation verschärfen
Was gilt es aus der Analyse des Finanzexperten der Uni St.Gallen mitzunehmen? Die Schweizer Fussballclubs stehen auf einem ziemlich fragilen Fundament. Dass nur gerade zwei von neun Super-League-Teams ein positives Eigenkapital vorweisen, verdeutlicht die Abhängigkeit von Investoren. Noch kritischer gesehen werden darf aber, dass einige Clubs in den Finanzvorgaben der UEFA hängen bleiben würden und nur keine Konsequenzen zu befürchten haben, weil ihre Gesamtausgaben unter der relevanten Untersuchungslinie zu liegen kommen.
Unter diesen finanziellen Voraussetzungen ist die vollzogene Modusreform in der Super League mit noch kritischerem Auge zu betrachten. Die TV-Gelder, für die Clubs relevante Einnahmen, müssen durch zwei zusätzliche Vereine geteilt werden. Der Anteil der Clubs wird also kleiner. Die Trennung in Final- und Abstiegsrunde soll den sportlichen Wettkampf zudem erhöhen. Die meisten Vereine sind diesbezüglich finanziell bereits an ihre Grenzen gegangen. Allerdings wird die Lotterie grösser, denn in der Finalrunde ist mit zwei bis drei deutlich attraktiveren Heimspielen zu rechnen, was sich dann in den Einkünften durch den Ticketverkauf niederschlagen dürfte.
Besorgniserregend ist diese finanzielle Analyse auch mit dem Hintergrund, dass die Zuschauerzahlen nach der Coronapandemie förmlich explodiert sind. 2022/23 sorgten die zehn Clubs aus dem Oberhaus für Rekordwerte bei den Zuschauerzahlen, einen Teil der dadurch generierten Einnahmen sind in den oberen Bilanzen bereits beachtet, trotz dieser Rekordwerte fällt das Fazit nicht positiver aus.
Unter dem Strich bleibt das Bild, dass in der Super League nicht nur die Gratwanderung zwischen sportlichem Erfolg und Enttäuschung ziemlich ausgeprägt ist. Die Balance zwischen langfristiger Planung und kurzfristigem Erfolg ist dabei eine grosse Herausforderung. So tanzen viele Clubs derweil finanziell auf Messers Schneide - ein hohes Risiko mit wenig Nachhaltigkeit.
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