Auf leisen Sohlen schleicht sich Servette Richtung Tabellenspitze. Gegen YB sind die Genfer schon mal virtuell Leader. Haben die wirklich das Zeug zum Meister?
Meister oder nicht? Es ist nicht die Frage, die sich Servettes Trainer René Weiler jeden Morgen beim Aufstehen stellt. «Ich beteilige mich nicht an den Geschichten, die ihr machen müsst», sagt er nach dem starken Auftritt seines Teams nur gerade drei Tage (!) nach der letzten hervorragenden europäischen Vorstellung gegen die AS Roma (1:1). Aber es ist die Frage, die auf der Hand liegt, wenn ein Team fünfzig Minuten lang die Tabelle anführt.
Weiler stapelt natürlich tief. Wie das jeder andere Trainer auch machen würde. «Wir haben nicht das Niveau von YB. Wenn ich sehe, dass die Berner vier, fünf Verletzte haben und dann Jean-Pierre Nsamé und Saidy Janko bringen können... Ich bin mit meinem Kader sehr zufrieden. Aber es ist halt nun mal nicht dasselbe Niveau, auch wenn wir mit YB mithalten konnten.»
Lauper spürt Genfer Selbstvertrauen – mehr nicht
Weiler weiter: «Ich bin sehr zufrieden mit dem Auftritt. Auch wenn wir vor der Pause zwei, drei Tore machen könnten. Ich bin froh, dass wir solche Fortschritte machen. Wir wissen, woher wir kommen, und wo Servette vor ein paar Jahren stand.» Doch dann spricht er doch noch Klartext: «Man hat schon gesehen, dass wir aufgeholt haben und dass man in Zukunft mit uns rechnen muss.»
Stellt sich die Frage: Wie definiert man Zukunft? Morgen, übermorgen? Ende Saison? In drei Jahren? «Servette hat versucht, mitzuspielen. Man hat gesehen, dass sie Selbstvertrauen haben, weil sie Siege eingefahren haben», formuliert Sandro Lauper, der nach seinen beiden Rotsperren sein Comeback gab, die Leistung des Gastes im erneut vollen Wankdorf etwas gar defensiv. Jedenfalls habe er kein dominierendes Servette gesehen. Sondern eines, das von den Fehlern der Gelbschwarzen gut profitiert habe.
Torhüter geben zu reden
Und die gab es. Angefangen bei Goalie Racioppi und dem kollektiven Tiefschlaf bei Bedias Führungstreffer zum Beispiel. Auch die Topchancen von Bedia und Antunes waren nicht ohne Berner Fehler denkbar. Doch Servette lässt alle liegen, sodass Ganvoulas Ausgleich einer gewissen Logik entspricht. Denn nun sind bei YB Saidy Janko sowie Jean-Pierre Nsamé drin und Meschack Elia wirbelt vom Flügel. Das Spiel kippt vollständig. Einzig: Nsamé lässt seine vier Topchancen allesamt aus. «Ich hätte ja das Tor gerne gemacht», sagt der ehemalige Servettien: «Aber die hatten einen Goalie drin...»
Einen alten Kumpel von Nsamé. Jérémy Frick, der einen Kopfball des Franko-Kameruners unfassbar hält. Eine «geile» Parade? Eine «schöne» Parade, entgegnet dieser. «Was ich immer im Kopf habe, wenn ich gegen YB spiele: Mein alter Kumpel JP schiesst kein Tor gegen mich!» Mission erfüllt. «Und sowieso rede ich lieber über unsere brutal gute erste Halbzeit. Ausser, dass wir mehr als ein Tor machen müssen. Geil war der Match insgesamt.» So braucht Frick sein Lieblingswort doch noch...
Und was ist mit dem Thema Meisterkandidat? Frick: «Es ist noch zu früh, um da etwas sagen zu können. Was Fakt ist: Wir haben in dieser Saison unglaublich viele Spiele gemacht und sind sehr müde. Und es war brutal kalt.» Auch wenn am Ende Nsamé dem Genfer Urgestein brutal eingeheizt hat.
Quelle: (blick.ch / 04.12.2023 10:34 Uhr / Alain Kunz)
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